Dienstag, Oktober 07, 2014

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Schales Schmatzen, aber dezent

Raubwolke, nachts, zwischen den Zähnen noch die Wäscheleine. Unterhosen und Übersocken flattern leise im Wind. Das himmlische Kind hat schon Feierabend. Ein Bier geht noch, langsam den Hügel hinauf, zu den anderen Idioten, die freudig darauf warten, einer armen Flasche den Kopf abzuschlagen. Der Schaum der Tage fällt in einen Bottich weißer Farbe. der Priester (ganz hoch oben, auf dem Kinderstuhl)  predigt Verzicht und greift sich das nächste Hühnerbein der dünnen Ministrantin. Es kommt soweit, dass man den Glauben verliert. Die einzige Hoffnung sitzt unter der Tischplatte und reibt sich die Augen. Ein blonder Knabe, ganz in blauem Samt, schwebt sanft durch den Mittelgang, umflort von feinem Ätherflor. Alle Anwesenden und Verwesenden halten sich an den Händen und singen A Capella. Ein Glöcklein fällt die Stufen der Himmelsleiter herab, den Klöppel herausgestreckt wie eine lederne Zunge.

Draussen malen sich die Konquistadoren Schnurrbärte ins Gesicht. Ihre fetten Kater sitzen auf einem Haufen rostiger Helme und schnurren eifrig. Das Gold der untergehenden Sonne schmilzt am Horizont bedächtig vor sich hin. Ein Tempelritter kommt aus der Richtung gewankt und ruft nach seiner Nase. Niemand kümmert sich um ihn. Er setzt sich auf die ergraute Wiese und fängt an zu beten. Der Blitz, der ihn trifft ist purpurfarben. Nun schlägt die doch noch anwesende Kirchturmglocke auf dem doch noch anwesenden Kirchturm Alarm. Der Jackpot wurde geknackt. Alle Augen richten sich auf die Häuserfront, in der sich die Umrisse einer dunklen Gestalt abzeichnen. Es beginnt zu regnen, die Umrisse verwischen. Die Marihuana-Pflanze an der Ecke ist in der Zwischenzeit wieder einige Meter gewachsen. Ihr Stamm ist so stark und fest, dass die eilig angerannten Kiffer sich die Zähne ausbeissen. Ratlos sehen sie sich aus rotberänderten Augen an. Der Oberkiffer gibt jedem ein Universal-Streichholz und ein Büschel Winterstroh. Bald ziehen muffig riechende Schwaden durch die Gassen und Winkel, die Menschen und Tieren werden ganz grün vor Glück und bleiben in Ihren Häusern. Auf dem Festplatz liegen ein paar Bierleichen und stinken aus dem Mund. Die netten Katzen von nebenan haben einen Weg durch die Marihuana-Schwaden gefunden und legen sich ihnen hilfreich aufs Gesicht. Ab und an zittern ihre feinen Silberfellhaare. Winnetou kommt und verleiht Ihnen den Kastanienorden. Dann reitet er wieder in den Westen. Er scheint immun gegen die Schwaden zu sein, die sich auch langsam verziehen. Die Kiffer sind längst zu grünem Staubzerfallen, mit dem der Wind noch müssig spielt. Dann setzt er seinen Sturmhut auf, reisst dem Wetterhahn auf dem Kirchturm ein paar Blechfedern aus und stürmt davon. Die Menschen unten wachen auf und sind wieder schlecht gelaunt. Sie freuen sich.

Das hätte sich keiner zu träumen gewagt. Ausser mir, natürlich.

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